Mit schwerem Gepäck leichtfüßig durchs Leben?
„Wertvolle Kinder“: Kinder psychisch kranker Eltern führen oft ein Schattendasein und ihre Not bleibt unbemerkt. Was hilft diesen Kindern und wie kann es für sie gut weitergehen?
Das Landesstudio Vorarlberg im ORF-Funkhaus war bis auf den letzten Platz besetzt, als Dr. Oelkers-Ax der Frage nachging, ob und wie das Leben für Kinder psychisch kranker Eltern (oder eines Elternteils) gut weitergehen kann.
Schattendasein: Kindernot oft unbemerkt
Betroffene Kinder leiden unter der Krankheit der Eltern gleich mehrfach: Sie sind gefährdet, selbst zu erkranken, oder sind es bereits. Laut Frau Dr. Oelkers-Ax fristen diese Kinder ein Schattendasein, denn aufgrund der Erkrankung der Eltern bleibt ihre eigene Not oft unbemerkt. Kinder psychisch kranker Eltern machen sich ständig Sorgen um diese. Sie übernehmen für ihre Eltern nicht nur zu viel Verantwortung, sondern tauschen oft ihre Rolle als Kind mit jener des Erwachsenen (Parentifizierung). Sie haben Angst selbst zu erkranken, schämen sich für ihre Eltern und leiden an Schuldgefühlen. Diese Kinder stehen ständig unter Strom, sie müssen dauernd aufpassen und erleben keine Phasen der Entspannung.
Wie viel „normales“ Familienleben hat Platz?
Je schwerer eine elterliche Erkrankung ist, desto größer ist das Risiko einer Weitergabe für die Kinder selbst. Laut Frau Dr. Oelkers-Ax ist es für diese Kinder enorm bedeutsam, wie viel „normales“ Familienleben neben der Krankheit Platz findet. Je größer die Erholungsphasen zwischen den Krankheitsphasen sind und je offener darüber kommuniziert wird, desto besser stehen die Chancen für Kinder, selbst nicht zu erkranken. Leider sind Familien, in denen ein Elternteil (oder sogar beide) an einer psychischen Krankheit leidet, zusätzlichen Belastungen ausgesetzt. In diesen Familien treten Paarkonflikte und Erziehungsschwierigkeiten häufiger auf und es stehen weniger Ressourcen zur Bewältigung zur Verfügung.
Laut und leise
Viele Kinder machen durch ihr Verhalten auf ihre innere Not aufmerksam. Diese Kinder, überdurchschnittliche viele davon sind Jungen, werden in ihrem Umfeld viel eher bemerkt und erhalten auch schneller Unterstützung. Frau Dr. Oelkers-Ax weist darauf hin, dass die leisen zurückgezogenen und introvertierten Kinder (ca. 75 % Mädchen) oft durch den Rost fallen und erst Hilfe bekommen, wenn sie erwachsen sind.
Gipfelstürmer brauchen ein Basislager
Dieses Basislager, so erläutert Dr. Oelkers-Ax, ist eine gut entwickelte Bindung von Kindern zu einer fixen Bezugsperson und gleichzeitig ein biologisches Grundbedürfnis von Menschen. Eine sichere Bindung wirkt wie eine Art Schutzschild für psychische Gesundheit. Eltern, die an einer psychischen Krankheit leiden, sind oft nicht in der Lage ihren Kindern diese Sicherheit zu geben.
Was hilft?
Dr. Oelkers-Ax benennt verschiedene Schutzfaktoren wie z. B. ein aktives, kontaktfreudiges Temperament und gute Problemlösefähigkeiten, ein gut entwickeltes Selbstwertgefühl, eine hohe soziale Kompetenz, eine zuversichtliche Lebenseinstellung, aber auch Kreativität. All diese Dinge können dabei helfen, schlechte Zeiten besser zu bewältigen. In einer gemeinsamen Familientherapie, aber auch in Gruppenangeboten können Kinder Bewältigungsstrategien lernen und Unterstützung zur Selbstfürsorge erfahren. Für Kinder psychisch kranker Eltern kann es enorm wichtig sein, eine verlässliche Person außerhalb der Familie zur Seite zu haben, die dann einspringen kann, wenn es zuhause gerade schwierig ist.
„Du bist nicht schuld!“
Hilfreich für betroffene Kinder ist die Botschaft: „Du bist nicht schuld!“ Dr. Oelkers-Ax hält es für eine zentrale gesellschaftliche Aufgabe, diese Kinder zu sehen, in ihrer Not und ihrer Belastung, in dem Zuviel an Verantwortung, welche sie tragen müssen, aber auch in der Leistung, die sie damit erbringen: „Ich sehe, was du trägst!“
Mehr Informationen zum Thema
www.bag-kipe.de Bundesarbeitsgemeinschaft Kinder psychisch erkrankter Eltern
www.netz-und-boden.de Initiative für Kinder psychisch kranker Eltern
http://www.psychiatrie.de/dachverband/kinder Website des Dachverbands Gemeindepsychiatrie, für Familien mit psychisch erkranktem Elternteil
Der Vortrag wurde in Kooperation mit dem Lions Club Bregenz durchgeführt.