Mehr Unterstützung für Care Leaver
Care Leaver haben keinen leichten Start ins Erwachsenenleben. Nun wird das Sicherheitsnetz neu gespannt, um den Jugendlichen mehr Rückhalt für den Übergang in die Selbstständigkeit zu geben.
Bis 2035 will Vorarlberg chancenreichster Lebensraum für Kinder sein. Das erfordert Angebote vor allem für jene Mädchen und Jungen, die aus benachteiligten Familien kommen. Soziallandesrätin Katharina Wiesflecker will deshalb die Kinder- und Jugendhilfe möglichst breit aufstellen. Neben anderen Maßnahmen wird der langjährigen Forderung des Vorarlberger Kinderdorfs entsprochen, die Betreuung für Care Leaver auszubauen. Denn gerade Jugendliche, die aufgrund ihrer Volljährigkeit die Kinderdorffamilie, Wohngruppe oder Pflegefamilie verlassen müssen, brauchen Begleitung und Beratung auf ihrem Weg in die Selbstständigkeit.
Wer kann mit 18 schon allein auf eigenen Beinen stehen?
Gesamtgesellschaftlich hat sich der Übergang ins Erwachsenenleben verändert. Im Durchschnitt ziehen junge Erwachsene heute erst mit 25 Jahren von Zuhause aus. Care Leaver müssen weit früher und oft abrupt Abschied nehmen, was auf dem Hintergrund ihrer belastenden, traumatischen Biografien zu geringen Chancen führt, diese so wichtige Zeit gut zu bewältigen. Die Erfahrung zeigt, dass für Care Leaver die Betreuung zu einem Zeitpunkt endet, an dem sie noch nicht wirklich in der Lage sind, völlig ohne Unterstützung ein eigenständiges Leben zu führen.
Dringend mehr Rückhalt nötig
Das Projekt „Care Leaver“ ermöglicht nun unkomplizierte Begleitung bis zum 24. Lebensjahr. Entwickelt wurde ein Gutscheinmodell, das den jungen Erwachsenen 45 Beratungsstunden bis zum 24. Lebensjahr ermöglicht. Dies ist dringend notwendig, denn die Erfahrung der über Spenden finanzierten Ehemaligenbegleitung des Vorarlberger Kinderdorfs zeigt, dass junge Menschen, die betreute Einrichtungen verlassen, Rückhalt für den Übergang ins Erwachsenenleben brauchen. „Die Betroffenen stammen aus vielfach belasteten Familien und sind hinsichtlich Bildungschancen, beruflicher Absicherung und gesundheitlicher Situation stark benachteiligt“, erklärt Alexandra Wucher von der Geschäftsführung des Vorarlberger Kinderdorfs. Der hohe Druck, auf dem Arbeits- und Ausbildungsmarkt Fuß zu fassen, Existenz- und Versagensängste lasten auf Care Leavern ganz besonders.
Keine Fehler erlaubt
„Wir dürfen uns keine Fehler erlauben“, sagt beispielsweise Rebecca, die im Kinderdorf Kronhalde aufgewachsen ist. Die 23-Jährige absolviert die Abend-Matura und plant ein Studium in Innsbruck. Zu ihrer Kinderdorfmutter pflegt sie seit ihrem Auszug vor vier Jahren nach wie vor intensiven Kontakt und bei ihrem Betreuer von der Ehemaligenbegleitung holt sie sich regelmäßig Rat und Rückenstärkung. Rebecca erzählt von Existenzängsten, mit denen sie bereits mit 16 zu kämpfen hatte – und mit dem Anspruch, immer alles richtig und nur ja keine Fehler zu machen, keine Experimente zu wagen. Heute kämpft sie mit Leidenschaft für die Rechte von Care Leavern.
Ehemaligenbegleitung: Hilfe über Volljährigkeit hinaus
Rebecca ist eine jener jungen Erwachsenen zwischen 18 und 26 Jahren aus dem Kinderdorf Kronhalde, die von der Ehemaligenbegleitung auf ihrem Weg in die Selbstständigkeit und beim Prozess der Loslösung von der Kinderdorffamilie unterstützt werden. Den jungen Ehemaligen wird Rückhalt und vertrauensvolle Begleitung geboten. Durch Starthilfen, Überbrückungskredite und Notzuwendungen können Jugendliche und junge Erwachsene unterstützt werden, die noch in Ausbildung stehen und nur über ein geringes Einkommen verfügen. Ein Abrutschen in Isolation und Armut kann so verhindert werden. Finanziert wurde dieses Angebot bislang ausschließlich über Spenden.
Einfach nicht ganz allein sein
Erwin Kovacevic, Leiter der Ehemaligenbegleitung, weiß um die Bedeutung einer fachlichen und emotionalen Begleitung nach einer Fremdunterbringung: „Da geht es um konkrete Hilfe bei Anträgen oder Umzug, um ein offenes Ohr, wenn die Beziehung in die Brüche geht, oder einfach darum, nicht ganz allein zu sein“. Denn die jungen Menschen wünschen sich vor allem eines: in der Erwachsenenwelt willkommen sein statt abgehängt, um ihr Leben selbstständig meistern zu können.
Film „Care Leaver – Eindrücke verschiedener
junger Personen auf ihrem nicht so leichten Weg“