„Reden Sie darüber, was an der Schule lässig ist“
Praxisorientierter Start der Reihe „Wertvolle Kinder“: Wie Eltern ihre Kinder beim Lernen unterstützen können.
Für die Schule büffeln, Hausaufgaben machen – was die einen mit mehr oder weniger Begeisterung erledigen, löst bei anderen eine Kaskade negativer Emotionen aus, sie sind blockiert und in Folge bockig. Lernen ist für sie purer Stress und die Hausübungen leidiger Auslöser für ein zähes Hin und Her im besten, für Streit und Schreiattacken entnervter Eltern im schlechtesten Fall.
„Drei Dinge sind wichtig: Geduld, Geduld, Geduld“
Christoph Eichhorn ging im ersten Vortrag der neuen „Wertvolle Kinder“-Staffel nicht auf Ursachenforschung, sondern präsentierte praxisorientierte Tipps, wie Eltern ihre Kinder dabei unterstützen können, eine positive Lern- und Arbeitshaltung zu entwickeln. Dies gehe nicht „mit einem notorisch schon auf den nächsten Fehler zielenden Blick über die Schulter des Kindes“. Um die innere Abneigung der Kinder zu überwinden, müssten auch die Eltern ihre Haltung überdenken und sich immer vor Augen führen: „Kein Kind schreibt absichtlich schlechte Noten.“ Vor allem drei Dinge sind laut dem Schulpsychologen dabei wichtig: „Geduld, Geduld, Geduld.“
Lernen ist anstrengend
Druck würde langfristig nicht zu guten Ergebnissen, sondern zu innerer Abwehr und steigender Abneigung führen. „Das Kind fühlt sich schlecht, will nix wie weg.“ Eichhorn rät zu einer Strategie der kleinen Schritte: „SchülerInnen müssen lernen, selbstständig zu arbeiten und Selbstvertrauen gewinnen, um sich für neue Anstrengungen zu motivieren“, so Eichhorn. „Denn: Lernen ist schwierig und kostet Energie. Es müssen Grenzen und Misserfolge überwunden werden.“
Strategie der kleinen Fortschritte
Es sei „eine schlechte Idee, gute Noten schreiben zu wollen“, konstatierte der Schul- und Erziehungsberater, denn wer schon längere Zeit am unteren Ende der Notenskala rangiere, werde nicht plötzlich zur Einser-Schülerin. Zielführender sei es, Fortschritte – auch wenn sie klein sind – ins Visier zu nehmen, statt den Fokus auf die Noten zu legen. Denn:„Jedes Kind kann sich verbessern.“
Für Eltern gilt: Ruhe bewahren
Eine Umgebung, in der sich das Kind wohlfühlt, langsames, entspanntes Lernen in kleinen Portionen, die Einhaltung eines Lernplans, immer wieder Pausen einlegen und regelmäßiges Wiederholen hilft. Was zudem und nicht zuletzt hilft: „Eltern, die Ruhe bewahren und mit Gelassenheit auf das schauen, was das Kind kann und wo es Fortschritte macht“, so Christoph Eichhorn. Diese Perspektive sollte sich auch das Kind selbst zur Gewohnheit machen: „Wo bin ich gut, wo habe ich mich entwickelt?“ Absolut hinderlich hingegen: Einmischung, Zwang und Kontrolle. Wer selbst ärgerlich oder angespannt ist, sollte am besten kurz den Raum verlassen und durchatmen.
Wertschätzung bekunden
Kontraproduktiv sei auch, die Schule und die mit dem Job als SchülerIn verbundenen Aufgaben abzuwerten oder in ein schlechtes Licht zu stellen. Eltern sollten die Schule als etwas Positives sehen, Interesse bekunden, Bewunderung und Wertschätzung über das Gemachte ausdrücken und sich positiv über die Lehrpersonen und den Lehrberuf äußern. Also Aussagen wie „Ihr lernt ja wirklich nur lauter Schwachsinn“ oder „Ich hab‘ in Mathe auch nie was verstanden, das hast du von mir“ am besten einfach lassen. „Reden Sie mit ihren Kindern darüber, was an der Schule lässig ist“, so der Appell des Psychologen.
Alles nicht so leicht
„Das ist alles ist nicht so leicht“, gestand der Experte auch aus eigener Erfahrung ein. „Wenn Hausaufgaben-Situationen immer wieder eskalieren, sollte man sich auf jeden Fall an Experten wie Lehrpersonen oder Schulpsychologen wenden.“ Grundsätzlich wäre es laut Eichhorn auch aus schulpsychologischer Sicht sinnvoll, dass die Schule die Verantwortung für die Hausaufgaben übernimmt und entsprechende Angebote schaffen würde – um damit Familien zu entlasten und Kinder zu fördern, die keine Eltern als „gute Lernbegleiter“ im Rückhalt haben.
Lerntipps und Videos gibt's auch auf: www.mit-kindern-lernen.ch
Die Vortragsreihe „Wertvolle Kinder“ des Vorarlberger Kinderdorfs wird in Kooperation mit dem ORF Vorarlberg und Russ Media durchgeführt und vorwiegend vom Land Vorarlberg/ Fachbereich Kinder- und Jugend finanziert. Infos und Vorträge zum Nachhören auf: www.vorarlberger-kinderdorf.at
Der nächste Vortrag der Reihe: „Mädchen heute – was sie für ihren Weg ins Leben brauchen“ am 4. November um 20 Uhr im Vorarlberger Kinderdorf, Kronhalde Bregenz
Autorin: Christine Flatz-Posch