Warum Kinder gute Schwimmer sein müssen
Wertvolle Inputs, wie wir Kinder fürs Leben stärken können, lieferte einmal mehr die Reihe „Wertvolle Kinder“ des Vorarlberger Kinderdorfs.
Resilienz – ein faszinierendes Thema, das kürzlich fast 200 Interessierte ins Vorarlberger Kinderdorf lockte. Die Halle in der Bregenzer Kronhalde war bis zum letzten Platz gefüllt, als die Kindheitspädagogin Sibylle Fischer darüber referierte, warum sich Kinder trotz widriger Lebensumstände erstaunlich positiv entwickeln können.
Kinder brauchen Freiräume
Mit Resilienz ist die psychische Widerstandsfähigkeit und Spannkraft gemeint, durch die auch belastende Lebensumstände erfolgreich bewältigt werden können. „Das Leben ist wie ein Fluss – manchmal sanft dahinplätschernd, dann wieder voller Stromschnellen“, so Sibylle Fischer, die Eltern und Erziehenden rät, Kinder zu guten Schwimmern zu machen. Das würden sie vor allem auch durch das Erleben von Freiheit, Autonomie und Selbstwirksamkeit fernab vom Gängelband der „Helikoptereltern“. Laut Sibylle Fischer ist Resilienz nicht angeboren, sondern erlernbar – eine gute Balance zwischen Schutz- und Risikofaktoren, zwischen Sicherheit und Freiheit, vorausgesetzt.
Resilienz ist Beziehungssache
Resilienz wird im Miteinander, im Umgang mit anderen Menschen, erworben und zeigt sich laut Fischer erst in der Krise. Die Hürden, die das Leben zwangsläufig mit sich bringt, sind sozusagen die Nagelproben für resilientes Verhalten. Erst dann wird klar, ob unsere seelische Elastizität ausreicht, um Störungen auszuhalten und die Hürden zu nehmen. Das nach wie vor aktuelle Konzept der Resilienz hat bereits über 50 Jahre auf dem Buckel und geht auf Emmy Werner zurück. Sie untersuchte in einer legendären (40 Jahre! dauernden) Längsschnittstudie die Entwicklung von 689 Kleinkindern, die 1955 auf der Insel Kauai geboren wurden. Zum Zeitpunkt der letzten von sechs Erhebungen waren die untersuchten Personen 32 Jahre alt. Ein Drittel wurde zur Gruppe der „Risikokinder“ gezählt. Auf sie trafen Faktoren wie pränataler Stress, chronische Armut oder elterliche Alkoholsucht zu. Wiederrum ein Drittel der Risikokinder war hochgradig resilient, d. h. sie entwickelten sich trotz ihrer alles andere als optimalen Lebensumstände äußerst positiv, absolvierten erfolgreiche Bildungskarrieren etc.
An Widrigkeiten wachsen
Woraus schöpften diese Kinder und späteren Erwachsenen ihre Kraft? Werner fand heraus, dass für alle resilienten Kinder aus der Risikogruppe eine stabile, emotional zugewandte Bezugsperson verlässlich da war. Zudem hatten diese Kinder die Möglichkeit zu vielen außerfamiliären Kontakten. Sie waren in ein soziales Umfeld, in Vereine und Bildungseinrichtungen eingebunden, bei Bedarf holte sich die Familie Unterstützung. Auch die Chance, frühe und intensive Erfahrungen der Selbstwirksamkeit zu machen, trug dazu bei, dass sich die Kinder erstaunlich gut entwickelten.
Kluge Fragen statt Antworten
Wie können wir Kinder nun von Anfang an fürs Leben stärken? „Kinder brauchen Impulse und kluge Fragen, keine Antworten“, ist Sibylle Fischer überzeugt. Problemlösungskompetenz als wesentlicher Resilienzfaktor entwickle sich dann, wenn wir Kindern die Lösung nicht vorwegnehmen, wenn wir sie selber denken und machen lassen. Andere Lebenskompetenzen, wie Selbststeuerung, Sozialkompetenz oder Stressbewältigung, tragen dazu bei, dass wir an den Widrigkeiten des Lebens wachsen können. Dies alles gelingt Menschen besser, die ihre Gefühle genau kennen. Um „echt und authentisch“ zu bleiben, brauche es die Fähigkeit, Gefühle ausdrücken zu können. „Jedes Gefühl hat seinen Grund, keines ist schlecht. Es ist wichtig, dass wir Kindern Worte geben, um ihren Gefühlen Ausdruck zu verleihen, und sie darin bestärken, ihre – auch negativen Emotionen – zuzulassen.“
Nie zu spät
Mut und Selbstsicherheit – das wünschen wir uns für unsere Kinder, aber auch für uns selbst. Sibylle Fischer betonte, dass Resilienz eine variable Größe und sehr veränderbar ist. Vor allem aber ist es – erfreulicherweise – nie zu spät um mit dem Resilienz-Training anzufangen.
Autorin: Christine Flatz-Posch
Die Vortragsreihe „Wertvolle Kinder“ des Vorarlberger Kinderdorfs wird gemeinsam mit dem ORF Vorarlberg und Russmedia durchgeführt und vorwiegend vom Land Vorarlberg/Fachbereich Kinder und Jugend finanziert. Sämtliche Vorträge können in der Vokithek des Vorarlberger Kinderdorfs (http://www.vorarlberger-kinderdorf.at/links-und-mehr/vortraege-nachsehen-und-hoeren ) nachgehört werden.
Der nächste Vortrag der Reihe: 16. Mai 2018, 20 Uhr:
„(Ur)-Vertrauen entsteht in der Kindheit“, Fabienne Becker-Stoll