Unverwundbar fürs Leben?
„Wertvolle Kinder“: Wie die Widerstandskraft von Kindern gestärkt werden kann und warum Pippi Langstrumpf eine Ikone der Resilienzforschung ist.
Eine Mama im Himmel, einen Seeräuberkönig auf einer Insel im Nirgendwo zum Papa – alles andere als optimale Ausgangsbedingungen. Dennoch ist Pippi Langstrumpf stark. So stark, dass sie nicht nur ein Pferd stemmen, sondern die ängstlichen Nachbarskinder dazu ermutigen kann, mit ihr gemeinsam die verrücktesten Abenteuer zu erleben. In seinem Vortrag – dem letzten der elften Staffel „Wertvolle Kinder“ – bezeichnete Klaus Fröhlich-Gildhoff Pippi Langstrumpf als „prototypische Resilienzfigur“, die trotz schlechter Ausgangslage vor seelischer Widerstandskraft strotzt.
Stehaufmännchen?
Warum sind manche Menschen erfolgreich in der Bewältigung belastender Lebenssituationen, die andere verzweifeln lassen? Wie kommt es, dass die einen wie Stehaufmännchen immer wieder neuen Mut fassen, während die anderen an Schicksalsschlägen zerbrechen? Das Konzept der Resilienz gibt darauf eine Antwort, bezeichnet sie jedoch genau jene „Spannkraft und Elastizität, die notwendig ist, um Entwicklungsaufgaben und negative Stressfolgen zu meistern“. Der renommierte klinische Psychologe schöpfte im aus allen Nähten platzenden ORF-Publikumsstudio aus seiner Schatzkiste der Kinder- und Jugendforschung und unterstrich die Bedeutung bewältigbarer Herausforderungen für Kinder. „Ich habe es geschafft!“ – diesen Satz müssten Kinder möglichst oft im Kopf haben. „Kinder brauchen Herausforderungen, an denen sie wachsen können.“
Resilienz bedingt Beziehung
Dabei spiele die Balance zwischen Schutz- und Risikofaktoren eine Hauptrolle. „Wichtiger Schutzfaktor für eine gesunde Entwicklung ist mindestens eine stabile emotionale Beziehung zu einer Bezugsperson“, so Fröhling-Gildhoff. „Jedes Kind braucht jemanden, für den es im Mittelpunkt steht.“ Die zentrale Botschaft dahinter: Resilienz beruht grundlegend auf Beziehungen. Diese Funktion könnten jedoch auch andere als die primären Bezugspersonen übernehmen, LehrerInnen beispielsweise. In diesem Zusammenhang sprach sich Gildhoff strickt gegen einen Lehrpersonenwechsel nach der zweiten Klasse Volksschule aus, der einen „Bruch in der Beziehungskontinuität“ bedeute.
Einmal resilient, immer resilient?
„Resilienz ist ein dynamischer Anpassungs- und Entwicklungsprozess“, stellte Fröhling-Gildhoff klar. „Sie ist weder eine Charaktereigenschaft noch eine stabile Unverwundbarkeit, sondern abhängig von Erfahrungen und Erlebnissen.“ Keineswegs würde eine in der Kindheit erworbene Resilienz ein Leben lang „halten“, immer wieder müsse die seelische Widerstandskraft trainiert werden. Der Experte betonte die Rolle von präventiven Maßnahmen, um die Resilienz von Kindern zu stärken. „Programme sind dann am erfolgreichsten, wenn sie Kinder, Eltern und soziales Umfeld erreichen.“ Darüber hinaus sei eine Perspektive wichtig, die die Ressourcen und Fähigkeiten der Kinder, aber auch des Systems im Blick habe. „Hier haben Kindergarten und Schule eine Riesenchance.“
Lob mal sechs
„Beziehungen sind dann am stärksten, wenn sechs Mal so viel gelobt wie kritisiert wird“, konstatierte der Leiter des Zentrums für Kinder- und Jugendforschung in Freiburg. „Lob, Lob, Lob heißt die Devise. Das Lob muss allerdings ehrlich sein.“ Eben diese Stärkenorientierung kombiniert mit Wertschätzung, Ermutigung, einem positiven Blick und viel Optimismus ergibt wenn schon kein Patent-, so doch ein Rezept, das Kinder stark fürs Leben macht.
Vortrag verpasst?
Der Vortrag kann in unserer Vokithek in voller Länge nachgehört werden. Den Vortrag anhören
Die 12. Auflage der Reihe „Wertvolle Kinder“ startet nach einer Sommerpause im Herbst. Die Bildungsreihe, die gemeinsam mit den Medienpartnern ORF Vorarlberg und Russmedia durchgeführt und vom Land Vorarlberg finanziert wird, liefert allen, die mit Kindern leben oder arbeiten, Impulse, Orientierung und neues Wissen.
Autorin: Christine Flatz-Posch