Hubert Rhomberg: „Ich fühlte mich frei, ich war ein glückliches Kind“
Hubert Rhomberg, geboren 1967 in Bregenz, hat nach dem Gymnasium Mehrerau die HTL für Tiefbau in Rankweil besucht, danach an der TU Wien Bauingenieurwesen studiert (Sponsion 1995). 2006 absolvierte er die Baumeisterprüfung. Seit 2010 ist er Geschäftsführer der Rhomberg Holding GmbH und leitet damit in vierter Generation das Bauunternehmen. Hubert Rhomberg ist verheiratet mit Nadja. Mit ihren drei Kindern Katharina, Alexander und Cornelius leben sie Bregenz.
Ich bin das „Sandwich“-Kind. Das Mittlere von drei Kindern, einer von acht Enkeln. Der Sohn, der „mitlief“ und den man nicht so viel beachtet hat. Das brachte natürlich auch einen großen Vorteil mit sich: Freiheit! Und die habe ich genutzt. Die Schulzeit hat daran nicht viel geändert. Vier Jahre „Mehrerau“ sind in meiner Erinnerung tägliche Fahrten mit dem Fahrrad, viel frische Luft, der Klostergarten, direkt vom Baum gepflückte Äpfel essen und das gelegentliche, nicht wirklich erlaubte Überwinden der Klostermauern. Eine sehr lebhafte Erinnerung aus Kindertagen war, dass Autos verschiedenfarbige Abziehbilder auf der Windschutzscheibe hatten, die anzeigten, an welchem Wochentag das Auto nicht gefahren werden durfte – Auswirkung der Ölkrise. Das war Anfang der 70er Jahre. Ab 1982 ging es in die HTL Rankweil. Hausaufgaben hab‘ ich großteils im Zug erledigt – wir waren ja meistens mit einem „Bummler“ unterwegs und die Fahrt schien ewig zu dauern. Aber eigentlich ein tolles Konzept, denn daheim hatte ich dann Freizeit. In diese fallen auch die ersten Schritte der Computerisierung. 1984 hatten wir ein eigenes Gerät, mit dem wir gegeneinander spielen konnten und es manchmal auch während des Unterrichts taten.
„Ich habe von den
schlauen Menschen, die bei
uns aus und eingegangen
sind, viel gelernt.“
Unser Familienleben war in diesen Jahren geprägt von der Erfüllung von „Mindest-Erwartungen“ und dem Einhalten gewisser Strukturen. Absoluter Fixpunkt war zum Beispiel das gemeinsame Abendessen – jeden Tag pünktlich um 19 Uhr. Sehr lehrreich waren die Reisen mit meinen Großeltern. Rom, Paris, Berlin und viele andere Städte – das war lebendige Geschichte. Familienurlaube führten mich ebenfalls an wunderbare Orte – zum Beispiel in den Busch von Südafrika oder erstmals nach Amerika. Noch wichtiger für meine Entwicklung waren aber die Gesellschaften, Familienfeiern und unzähligen Aktivitäten, die es bei uns gab. Es war immer einiges los – dank der großen Verwandtschaft und unzähliger Cousinen und Cousins. Zudem sind viele schlaue Menschen bei uns ein- und ausgegangen, von denen ich sehr viel gelernt habe – unter anderem eine ausgeprägte Diskussionskultur oder die Freude an strukturierter Argumentation. Bestehende oder einseitige Denkansätze zu hinterfragen – das hat mir schon immer Freude bereitet. Das hab‘ ich natürlich auch in der Schule angewendet. Nicht immer zur Freude meiner Lehrer. Besonders mit meinem Religionslehrer gab es ein paar „unheilige“ Auseinandersetzungen.
„Erst spät habe ich
erfahren, dass meine
Mama eine viel bessere
Schifahrerin ist als mein Papa.“
Die graue Eminenz der Familie war mein Großvater. Ein unglaublich respektierter und geschätzter Mann. Ich kann mich noch gut erinnern, als er mich bei einer unerlaubten Party in seinem Badehaus ertappt hat. Sein Schimpfen war gar nicht so schlimm, aber die Enttäuschung in seinen Augen hat mich sehr beschämt. Die Arbeit von ihm und meinem Vater fand ich klarerweise immer sehr interessant. Schließlich durfte ich als Kind mit auf die Baustellen. Das hat mir sehr gefallen. Meine Mama hat ihre ganze Energie in die Familie und soziale Aktionen gesteckt. Dass sie eine bessere Schifahrerin ist als der Papa (Anm.: Edith Rhomberg, geborene Zimmermann, gewann 1964 eine Silbermedaille in der Abfahrt bei den Olympischen Winterspielen in Innsbruck), haben wir erst viel später erfahren, und da ist mir auch klar geworden, was sie eigentlich alles für uns aufgegeben hat. Ein paar ihrer „Renn-Gene“ hat sie mir vererbt. Ich fahre gerne und vor allem schnell Schi. Halt wie ein Irrer.
Alles in allem kann ich definitiv sagen: Ja, ich hatte eine glückliche Kindheit. Inzwischen bin ich dreifacher Vater und sehe, welche Erfahrungswelten Kinder heute haben. Für sie wünsche ich mir weniger Druck in der Schule und die Chance, ihre jeweiligen Fähigkeiten zu entwickeln und nicht nur Wiederkäuer von Lehrinhalten zu sein. Es gibt schon Ansätze für eine neue Schule, die das leisten könnte.
Was ich meinen Kindern eindringlich mitgeben möchte und hoffe, dass (trotz Pubertät) ein bisschen etwas davon hängen bleibt: Wählt das Konzept der Liebe und nicht das Konzept der Angst und erhaltet euch bis ins hohe Alter möglichst viele eurer kindlichen Fähigkeiten – nämlich Kreativität, Fantasie, Tatendrang, Unvoreingenommenheit und Offenheit.
Hubert Rhomberg mit seinen Eltern und Geschwistern zu Ostern 1972.
Auszug aus dem Buch „Kindheit(en) in Vorarlberg“, Bucher 2018 (2. Auflage). Erhältlich im Vorarlberger Kinderdorf (T 05574-4992-0), online und im Buchhandel.