„Die bei weitem beste Entscheidung unseres Lebens“
Was war euer Beweggrund, ein Pflegekind aufzunehmen?
Claudia & Thomas: Wir wussten schon früh, dass wir einmal eine Familie mit Kind gründen wollten, und dass es dabei nicht zwingend unser leibliches sein muss. Wir fanden den Gedanken schön, ein Kind zu adoptieren. Als wir dann mit der Familienplanung angefangen haben und es nicht geklappt hat, informierten wir uns über Möglichkeiten der Adoption. Da der Weg einer Adoption aber sehr lang ist, setzten wir uns zum ersten Mal mit dem Begriff „Pflegeeltern“ auseinander. 2018 stellte sich dann endgültig heraus, dass wir keine eigenen Kinder bekommen können. Das war dann auch der Startschuss für unsere spannende Reise: Wir wollen Pflegeeltern werden!
Wie habt ihr herausgefunden, an wen ihr euch wenden müsst, wenn man ein Pflegekind aufnehmen möchte?
Claudia & Thomas: Bei der Kinder- und Jugendhilfe, wo wir uns über die Chancen einer Adoption informierten, wurde uns gesagt, dass wir uns an den Pflegekinderdienst wenden können, wenn wir Informationen zum Thema Pflegschaft haben möchten.
Könnt ihr ein bisschen darüber erzählen, wie das dann abgelaufen ist? Wie habt ihr die Vorbereitung erlebt, habt ihr euch gut informiert gefühlt?
Claudia & Thomas: Als erstes kam jemand vom Pflegekinderdienst und hat uns in einem persönlichen Gespräch kurz über das Wichtigste informiert. Danach mussten wir ein Bewerbungsschreiben einreichen. In den folgenden Monaten fanden dann insgesamt vier Termine statt, in denen uns zwei Mitarbeiter:innen des Pflegekinderdienstes zu Hause besuchten. Dabei haben wir uns immer sehr wohl gefühlt. Von Mal zu Mal wurde der Wunsch, ein Pflegekind aufzunehmen, stärker. Im darauffolgenden Herbst nahmen wir dann an vier Kursen teil, in denen wir noch über die zusätzlichen Dinge einer Pflegschaft informiert wurden. Dabei lernten wir das ganze Team des Pflegekinderdienstes kennen. Auch zwischen den anderen Kursteilnehmer fand ein angenehmer Austausch statt. Wir hatten immer das Gefühl, über alles sehr gut informiert zu werden, und für unsere Fragen hatte man immer ein offenes Ohr. Nach dem Kurs fand noch ein Abschlussgespräch statt. Bereits wenige Wochen danach lernten wir unsere beiden Pflegekinder kennen.
Ihr habt ja zwei Pflegekinder aufgenommen – ein Geschwisterpaar. War das für euch von Anfang an klar, dass ihr auch zwei Kinder aufnehmen möchtet?
Claudia & Thomas: Eigentlich nicht. Die Rede war immer von einem Kind. Wenn es gut läuft, hätten wir uns auch vorstellen können, noch ein zweites aufzunehmen. Als dann der Anruf kam und es plötzlich um ein Geschwisterpaar ging, brauchten wir kurz Bedenkzeit. Wir haben dann mit unserer Familie darüber gesprochen und es wurde rasch klar, dass wir auch gerne zwei Kinder aufnehmen möchten.
„Als der Anruf kam und es
plötzlich um ein Geschwisterpaar
ging, brauchten wir kurz Bedenkzeit.
Wir haben dann mit unserer Familie
darüber gesprochen und es wurde
rasch klar, dass wir auch gerne
zwei Kinder aufnehmen.“
Hat sich der Alltag mit euren Pflegekindern so entwickelt, wie ihr es euch vorgestellt habt?
Claudia & Thomas: Auf das Elternsein kann man sich in unseren Augen nur bis zu einem gewissen Grad vorbereiten, im Großen und Ganzen wird man schon ins kalte Wasser geworfen. Bei uns war das so, dass da von heute auf morgen zwei Kinder im Alter von zwei und drei da waren. Da musste man sich gegenseitig kennenlernen und zusammenwachsen. Das war eine ganz spannende Zeit für uns vier mit vielen Höhen, aber auch einigen Tiefen. Mit der Zeit haben wir uns immer mehr als Familie gefühlt, und dieses Gefühl wächst auch heute noch von Tag zu Tag.
Was hat sich in eurem Leben durch die Aufnahme von euren Pflegekindern verändert? Was kommt, neben dem Pflegekind, auf Pflegeeltern noch alles zu?
Claudia & Thomas: Wenn Kinder in eine Beziehung kommen, wird alles ordentlich auf den Kopf gestellt. Da wir uns aber recht intensiv auf das Leben mit Pflegekindern vorbereitet haben, hat sich alles zusammen sehr positiv verändert. Der Familienalltag ist manchmal schon recht chaotisch und man kommt auch hin und wieder an seine Grenzen. Im Gegenzug bekommen wir aber so viel von unseren Pflegekindern zurück, dass sich auch die stressigen Tage lohnen.
„Von heute auf morgen waren
zwei Kinder im Alter von zwei
und drei da. Wir mussten uns
gegenseitig kennenlernen und
zusammenwachsen. Das war
eine spannende Zeit für uns
vier mit vielen Höhen, aber
auch einigen Tiefen.“
Eure Pflegekinder leben nun seit vier Jahren bei euch. Gab es in dieser Zeit besondere Herausforderungen und was hat euch geholfen, diese zu meistern?
Claudia & Thomas: Rückblickend gab es immer mal wieder Momente, die es zu meistern galt. Und auch heute müssen wir uns neuen Herausforderungen stellen. Wir haben aber gelernt, als Familie und als Team damit umzugehen. Was wir am meisten gelernt haben ist, immer ehrlich zu unseren Pflegekindern zu sein. Und es ist auch wichtig, ihre Anliegen sofort zu besprechen und nicht auf später zu verschieben, weil man denkt, da gibt es dann schon eine passende Gelegenheit. Wichtige Dinge werden bei uns meist beim Essen besprochen. Manchmal kommen auch heikle Fragen von den Kindern, wenn wir zum Beispiel im Bus sitzen oder im Urlaub gerade ein Eis essen. Wir haben gelernt, da ganz normal und ehrlich zu antworten. Nach unserer Erfahrung ist es für die Kinder am einfachsten, wenn man versucht, alles so gelassen wie möglich zu betrachten. Es gibt leider viele Dinge, die für die Kinder nicht so schön sind und sie auch traurig oder wütend machen können. Trotzdem ist es wichtig, darüber zu sprechen, denn wir können sie leider nicht davor schützen. Wir können ihnen dafür aber beibringen, mit Belastendem umzugehen. Und die Kinder finden meistens auch einen guten Weg, damit klarzukommen.
„Es ist uns sehr wichtig, ehrlich
mit unseren Kindern zu sein.
Wir können sie nicht vor all
dem schützen, was sie traurig
oder wütend macht. Aber wir
können ihnen beibringen,
mit belastenden Dingen
klarzukommen.“
Was war ein besonderes Ereignis, ein besonderer Moment mit euren Pflegekindern?
Claudia & Thomas: Gerade unsere Pflegetochter war sehr lange Zeit in einem Zwiespalt, zwischen den Gefühlen uns und ihrer leiblichen Mama gegenüber. Heuer im Frühling hat sich dann plötzlich etwas bei ihr gelöst und es ist einfach wunderbar mitzuerleben, wie sie jetzt ihre Emotionen zulassen kann. Die zwei sind sehr sozial und finden überall Freunde. Unsere Tochter ist sehr kreativ und unser Sohnemann macht gerne im Haushalt mit oder hilft dem Papa in der Werkstatt. Wir sind mächtig stolz auf unsere Rasselbande.
Welcher Fortschritt eurer Pflegekinder macht euch besonders glücklich?
Claudia & Thomas: Dass sie aufgeschlossen anderen gegenüber sind und selbstständige, wissbegierige Persönlichkeiten. Die beiden sind sozial und finden immer und überall Freunde, dabei sind sie immer hilfsbereit und teilen auch gerne mit anderen. Unsere Tochter ist sehr kreativ und unser Sohnemann macht auch gerne im Haushalt mit oder hilft dem Papa in der Werkstatt. Wir sind mächtig stolz auf unsere Rasselbande. Dabei macht uns am meisten glücklich, dass wir zu so einer „normalen” Familie zusammengewachsen sind. Es ist schon etwas ganz Besonderes zu sehen, wie unsere Kinder heranwachsen, und wir ein Teil davon sein dürfen.
Welche Bedeutung hat die Herkunftsfamilie für euch und eure Pflegekinder? Könnt ihr ein wenig erzählen, wie so ein Besuchskontakt abläuft?
Claudia & Thomas: Wir sind jetzt eine große Familie und da gehört die Herkunftsfamilie auch dazu. Es ist uns auch wichtig, dass die Kinder wissen, dass wir ihre Herkunftsfamilie schätzen. Daher versuchen wir, die Kontakte so normal wie möglich zu führen. Besuchskontakte werden in unserem Fall vom Pflegekinderdienst begleitet und finden jedes Mal auf „neutralem Boden” statt, auf dem Spielplatz oder im Vorarlberger Kinderdorf zum Beispiel. Die meisten Kontakte laufen immer ganz nett und unkompliziert ab. Es gab aber auch schon Treffen, die nicht so gut gelaufen sind. Gerade das ist dann eine wirkliche Herausforderung für uns Pflegeeltern.
Wir glauben, dass der richtige Umgang mit der Herkunftsfamilie eine der schwierigsten Aufgaben für Pflegeeltern ist.
Claudia & Thomas: In diese Treffen muss man aber auch erst reinwachsen, am Anfang waren wir sehr aufgeregt, jetzt hat sich aber eine gewisse Routine eingefunden. Wir glauben aber, dass der richtige Umgang mit der Herkunftsfamilie eine der schwierigsten Aufgaben für Pflegeeltern ist. Auch mit dem ganzen Hintergrundwissen, immer respektvoll mit ihnen umzugehen, auch dann, wenn die Herkunftsfamilie bei einem Besuchskontakt etwas macht, das man jetzt selber vielleicht nicht so machen würde. Das ist auch eine Sache, die man nicht unbedingt in einem Kurs lernen kann, da muss man einfach offen dafür sein.
Was müssen Menschen mitbringen, die sich überlegen, ein Pflegekind aufzunehmen?
Claudia & Thomas: Viel Verständnis, Offenheit, Mut und eine positive Lebenseinstellung.
Wie hat euer Umfeld auf die Aufnahme eurer Pflegekinder reagiert?
Claudia & Thomas: Es war wirklich schön, wie herzlich unsere gesamte Familie und unser Freundeskreis unsere Pflegekinder aufgenommen haben. Die Kinder waren von Beginn an ein Teil von uns allen. Gerade am Anfang, als wir uns überlegt haben, ein Pflegekind aufzunehmen, haben wir viel mit der Familie darüber gesprochen. Wir wurden von allen immer unterstützt und ermutigt.
Was erlebt ihr als Unterstützung in der Pflegschaft?
Claudia & Thomas: Wir haben das Glück, dass es da ganz viele Menschen gibt, die hinter uns stehen. Zum einen natürlich unsere Familie und unsere Freunde, und dann gibt es da noch ganz viel Unterstützung durch den Pflegekinderdienst. Wie zum Beispiel Elternrunden, Seminare usw. Es gibt einem auch ein gutes Gefühl, wenn man weiß, dass man sich mit seinen Sorgen und Ängsten an ein geschultes Fachpersonal wenden kann. Das ist vielleicht sogar ein Vorteil, den Eltern von leiblichen Kindern nicht haben. Wir sind auch sehr zufrieden mit unseren Betreuern, die für uns die ganzen Besuchskontakte planen und uns durch unsere Pflegschaft begleiten.
Was habt ihr in den letzten vier Jahren durch die Aufnahme eurer Pflegekinder gelernt?
Claudia & Thomas: Wir sind beide durch die Pflegschaft gewachsen. Haben eine andere Sicht auf die Dinge bekommen und gelernt das Leben, so zu nehmen und zu schätzen wie es ist, mit allem was dazugehört. Es war bei weitem die beste Entscheidung in unserem Leben, Pflegekinder aufzunehmen.
Was bereitet euch besondere Freude als Pflegeeltern?
Claudia & Thomas: Dass unsere Pflegekinder selbstbewusste Kinder werden und stolz darauf sind Pflegekinder zu sein. Es war bei weitem die beste Entscheidung in unserem Leben, Pflegekinder aufzunehmen.
Was würdet ihr sagen: Was brauchen Pflegekinder?
Claudia & Thomas: Sicherheit, Verständnis, Normalität, einen geregelten Tagesablauf, das Gefühl, dass es okay ist, so zu sein, wie sie sind und ganz viel Liebe!!!
Wenn sich jemand überlegt ein Pflegekind aufzunehmen, was würdet ihr diesen Menschen sagen wollen?
Claudia & Thomas: Man muss schon ein gewisser Typ Mensch sein, um eine Pflegschaft zu übernehmen. Dabei spielen wahrscheinlich Offenheit und Toleranz eine ganz große Rolle. Man muss vielen Menschen Einblick in sein Leben gewähren und man muss auch viele Menschen vorurteilsfrei in seinen Alltag und in sein Leben lassen können.