„Es ist so schön mitzuerleben, wie sich Bereitschaftspflegekinder sicher fühlen“
Silvia Mayer und ihr Mann sind seit fünfzehn Jahren Pflegeeltern eines Mädchens. Seitdem haben sie auch 30 Babys und Kleinkindern für kurze Zeit ein sicheres Zuhause geschenkt. Im Interview erzählt Silvia Mayer über die Schwierigkeit des Loslassens und das unvergleichliche Gefühl, wenn Kinder, die keine Nähe ertragen, zu „Kuschelkindern“ werden.
Wie wurden Sie zur Pflegemutter bzw. Pflegefamilie?
Ich habe im Gemeindeblatt gelesen, dass Pflegefamilien gesucht werden und mich daraufhin beim Vorarlberger Kinderdorf gemeldet. Mein Mann und ich haben dann den Pflegeeltern-Kurs im Herbst gemacht. Gleich zu Jahresbeginn kam der Anruf, dass es ein Pflegekind für uns gäbe.
Wie waren die Rückmeldungen zu Ihrer Entscheidung aus dem Umfeld?
Ich bekam nur positive Rückmeldungen.
Auch jetzt bekomme ich immer wieder große Anerkennung in meinem Umfeld. Meine Eltern und meine Geschwister haben mich immer unterstützt.
Was ist das Schönste am Pflegemama sein? Was waren Ihre bisherigen Highlights?
Unsere Kinder sind in ihrer sozialen Einstellung gewachsen. Unsere Pflegetochter gehört dazu, das erscheint uns ganz normal – vielleicht ist das für Außenstehende manchmal schwer nachzuvollziehen. Ihre Taufe war ein ganz besonderes Fest. Ihre Herkunftsfamilie und unsere Familie haben gemeinsam gefeiert.
Was sind die größten Herausforderungen bei diesem „Job“?
Wir haben ein gutes Verhältnis zu der leiblichen Familie unserer Pflegetochter. Ich stelle es mir schwierig vor, wenn das nicht so wäre. Ansonsten ergeben sich dieselben Herausforderungen, wie bei den leiblichen Kindern.
Wie lange ist Ihre Pflegetochter schon bei Ihnen?
Sie ist zu uns gekommen, als sie ein Jahr alt war. Mit 14 konnte sie sich entscheiden, ob sie zurück zu ihrer Herkunftsfamilie möchte oder bis 18 bei uns bleiben will. Sie hat sich dafür entschieden, weiterhin bei uns zu bleiben.
Wie kam es dazu, zusätzlich die Bereitschaftspflege zu übernehmen?
Wir wollten damals kein zweites Pflegekind. Darum haben wir für die Bereitschaftspflege zugesagt. Mittlerweile machen wir das auch schon seit 13 Jahren.
Was heißt das konkret? Wie muss man sich das vorstellen?
Bei der Bereitschaftspflege sind die Kinder bei uns. bis entschieden ist, wo sie langfristig hinkönnen.
Sie haben oft eine schwere Zeit hinter sich und es ist schön zu sehen, wie sie sich entspannen, wenn sie merken, dass sie in Sicherheit sind.
Kommt es vor, dass Ihnen Kinder besonders ans Herz wachsen und Sie Schwierigkeiten haben, sie los- und wieder gehen zu lassen?
Das Schwierige an der Bereitschaftspflege ist das Loslassen. Am schlimmsten ist es, wenn man kein gutes Gefühl mit der Lösung hat, aber da wird ja zum Glück gut nachbetreut.
Der Moment des endgültigen Abschieds ist aber immer schwer.
Sie hatten schon rund 30 Babys und Kleinkinder in der Bereitschaftspflege. Müssen Sie täglich damit rechnen, dass ein Anruf kommt?
Nach jedem Kind gibt es eine Pause, die so lange dauert, wie man will. Wenn man sich aus der Pause meldet, kann täglich der Anruf kommen. Oft darf man dann noch am selben Tag einen kleinen Mitbewohner willkommen heißen.
Wie lange sind die Kinder im Durchschnitt bei Ihnen?
Die Kinder sind bei uns zwischen zwei und neun Monaten.
Was sind hier die größten Herausforderungen?
Oft ist es schwer, die Schicksale nicht zu sehr an sich heranzulassen. Eine weitere Herausforderung ist natürlich das Loslassen. Wir wissen nie, wie lange ein Kind bleibt – deshalb kann man nicht gut planen. Unser Privatleben steht in dieser Zeit an zweiter Stelle.
Welchen Rat würden Sie einem angehenden Pflegeelternteil geben? Bzw. welche Eigenschaften sollte man oder frau unbedingt mitbringen?
Man muss auf jeden Fall sehr flexibel sein – es kommt immer anders, als man denkt. Rückblickend überwiegen die schönen Momente und Erfolge mit den Pflegekindern. Was die Bereitschaftspflege angeht, würde ich sagen: einfach ausprobieren! Da ist man nicht so lange gebunden, wie mit einem Pflegekind und kann auch nach dem ersten Bereitschaftspflegekind sagen, dass es doch nicht das Richtige ist.
Können Sie auch mal Urlaub machen?
Urlaub zu planen ist manchmal schon schwierig, unsere Kinder mussten da schon öfters einspringen.
Mit welchem Argument würden Sie potenzielle Pflegeeltern, die vielleicht noch zögern, davon überzeugen, den Schritt zu wagen?
Jede wohlwollende Geste, die man im Leben erfährt, prägt einen. Es ist wirklich schön, die Entwicklung dieser Kinder zu verfolgen.
Ich habe sie alle ins Herz geschlossen und bin stolz, dass ich sie in einer schwierigen Zeit begleiten durfte. In einem Fotoalbum habe ich jedes einzelne von ihnen verewigt.
Wie würden Sie sich die Entlohnung für Ihre Tätigkeit als Pflegemutter vorstellen? Welche Maßnahmen wären in Ihren Augen nötig, damit neue Pflegeeltern gefunden werden können?
Es ist schade, dass wir nicht sozialversichert werden können. Das würde in meinen Augen auch dazu beitragen, dass sich mehr Pflegeeltern und Bereitschaftspflegeeltern melden.
Kontakt & Infos:
T 05522/82253, pflegekinderdienst@voki.at
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