„Klar ist es eine Herausforderung, aber die Freude überwiegt immer“
Trotz aller Herausforderungen haben Nina und Hannes ihren Entschluss, Pflegefamilie zu sein, nie bereut. Denn vor allem sind sie eines: Eltern, die Kindern ein liebevolles Zuhause und etwas vom eigenen Glück weitergeben wollen. Stets überwiegt die Freude an den Entwicklungsschritten ihrer Kinder – ob „eigene“ oder Pflegekind.
Was hat euch dazu bewegt, Pflegeeltern zu werden?
Nina & Hannes: 2015 war die große Flüchtlingswelle. Uns haben die Menschen sehr leidgetan. So wuchs in uns die Idee, einem Kind zu helfen, dem es nicht so gut geht. Wir haben die Werbung für Pflegeeltern auf vol.at gesehen und uns dann weiter informiert.
Hat sich der Alltag mit einem Pflegekind so entwickelt, wie ihr es euch vorgestellt habt?
Nina & Hannes: Es war so ähnlich, als wir unsere eigenen Kinder bekamen. Da wussten wir auch nicht, was auf uns zukommt und wie es ist, Kinder zu haben. Und auch da gibt es schwierige Phasen, in denen man an sich selber zweifelt. Trotzdem lieben wir unsere Kinder und würden nichts an unserer Situation ändern.
Welche Entwicklungsphase eures Pflegekindes war für euch besonders herausfordernd? Was hat euch geholfen, diese zu meistern?
Nina & Hannes: Es war keine Entwicklungsphase, sondern eher, dass wir im Laufe der Jahre das Gefühl hatten, mit unserem Pflegesohn stimmt etwas nicht. Er konnte sich Sachen sehr schwer merken und hatte ein großes Bedürfnis nach Aufmerksamkeit. Wir ließen dann verschiedenste Untersuchungen machen. Es wurde festgestellt, dass das Kind aufgrund seiner Vernachlässigung in den ersten beiden Lebensjahren eine Entwicklungsverzögerung hat. Uns half das sehr, weil wir besser einschätzen konnten, was los war. Es hat uns in der Erziehung viel Druck genommen. Die Defizite waren am Anfang der Pflegschaft nicht absehbar, obwohl uns der Pflegekinderdienst auf die Möglichkeit hingewiesen hat, dass ein Kind aufgrund seiner Vorerfahrungen ein „Päckchen“ mitbringt, bei dem nicht klar ist, was drin steckt. Uns schreckte das nicht ab. Sollte eines unserer leiblichen Kinder nach einer Erkrankung oder einem Unfall Defizite haben, würden wir es auch bestmöglich unterstützen. Dasselbe gilt für unser Pflegekind. Wir machen jetzt verschiedene Therapien mit ihm. Auch der Pflegekinderdienst unterstützte uns in dieser unsicheren Zeit sehr mit Gesprächen und Informationen.
Könnt ihr ein schönes Erlebnis, einen besonderen Moment mit eurem Pflegekind schildern?
Nina: Als unser Pflegekind mir ein Muttertags-Gedicht aufsagte, hat mich das sehr berührt.
Als Pflegeeltern seid ihr Perspektivengeber für Kinder mit ungünstigen Startbedingungen ins Leben – was bedeutet das für euch?
Nina & Hannes: Unser großes Ziel ist es, dass alle unsere Kinder glückliche Erwachsene werden, mit einem Job, der ihnen Spaß macht und mit dem Wissen, dass sie immer eine Familie haben, zu der sie gehen können. Wir hoffen, dass wir das auch unserem Pflegekind vermitteln können.
Welcher Fortschritt eures Pflegekindes macht euch besonders glücklich?
Nina & Hannes: Er hatte im ersten Jahr im Kindergarten immer Sorge, dass er nicht mehr abgeholt wird und er konnte nicht allein sein. Mittlerweile hat er die Sicherheit, dass wir ihn nicht im Stich lassen. Er hat gelernt, darauf zu vertrauen, dass wir verlässlich für ihn da sind.
Welche Bedeutung hat die Herkunftsfamilie für euch und euer Pflegekind?
Nina & Hannes: Wir haben einen sehr guten Kontakt mit seinem leiblichen Papa, mit seiner Oma und Tante. Er darf sie zwei Mal im Monat besuchen und freut sich immer sehr darauf. Uns ist es wichtig, dass wir gut mit ihnen auskommen, da sie seine leibliche Familie sind. Irgendwann wird unser Pflegesohn erfahren, dass seine Mama sich nicht um ihn kümmern konnte. Das wird sicherlich nicht einfach für ihn. Wir tun unser Bestes, damit er lernt, mit seinem Schicksal umzugehen. Natürlich gibt es Dinge, bei denen wir anderer Meinung sind, aber die gibt es in allen Familien, und wir versuchen, einen guten Weg miteinander zu finden. Es ist uns wichtig, dass wir alle gut miteinander auskommen.
Wird der Wert von Pflegefamilien für die Gesellschaft in euren Augen genügend anerkannt?
Nina & Hannes: Wir finden schon, dass Pflegefamilien anerkannt werden, aber die Zeit, die Eltern zu Hause bei den Kindern bleiben, wird gesellschaftlich generell zu wenig wertgeschätzt.
Mit welchen Worten würdet ihr Menschen für diese Aufgabe gewinnen?
Nina & Hannes: Wir leben in einer Gesellschaft, in der es den meisten an nichts fehlt. Es würde uns freuen, wenn mehr Menschen sich dafür entscheiden, einem Kind eine zweite Chance im Leben zu geben, das nicht so viel Glück hatte und sie etwas von ihrem Glück weitergeben.
Welche Frage wird euch als Pflegeeltern am meisten gestellt?
Nina & Hannes: Kann man euch das Kind wieder „wegnehmen“? Diese Angst ist zwar nicht unbegründet, aber bei der Vermittlung wird schon ein Rahmen abgesteckt, ob das Kind nur kurze Zeit bleibt, beispielsweise weil die Mutter vorübergehend erkrankt ist, oder ob es dauerhaft zu einer Pflegefamilie kommt, weil sich die Mutter nicht ausreichend kümmern kann. Bei uns war klar: Das Kind soll langfristig ein neues Zuhause bekommen. Sollte es so sein, dass die Mutter ihr Leben in den Griff bekommt, findet ein Prozess statt, den man auch als Pflegefamilie mitbekommt. Das heißt, dass das Kind nicht vom einen auf den anderen Tag weg ist. Wir sehen das so, dass es für unseren Pflegesohn toll ist, wenn seine leibliche Familie es wieder schafft, sich ausreichend um ihn zu kümmern. Dann waren wir in einer schwierigen Zeit die Stütze im Leben, die er gebraucht hat. Abschließend möchten wir noch sagen, dass viele Sorgen, die wir schon auch hatten, unbegründet waren. Sollten doch Probleme auftauchen, ist der Pflegekinderdienst jederzeit da und hilft in schwierigen Zeiten weiter. Auch die „eigenen“ Kinder machen ja manchmal Sorgen, die man als Familie aber meistert. Genauso so, finden wir, ist es bei einem Pflegekind. Die Freude, eine große Familie zu haben, überwiegt immer!
Kontakt: T 05522/82253, pflegekinderdienst@voki.at