„Wir sind einfach stolze Eltern“
Seit zwei Jahren sind Stephanie und Markus Eltern eines Pflegekindes. Für ihren „kleinen Zwerg“ tun sie alles, damit er sich beschützt und geborgen fühlt. Im Interview erzählen sie von ganz normalem Chaos und Fortschritten, die glücklich machen.
Was war euer Beweggrund, ein Pflegekind aufzunehmen? Wie ist dieses „Vorhaben“ entstanden?
Stephanie & Markus: Eigentlich mehr oder weniger durch einen glücklichen Zufall. Wir haben mit mehreren Ideen bei unserer Familienplanung gespielt und uns war sehr schnell klar, dass wir einem Kind ein liebevolles Zuhause geben möchten, es aber nicht unbedingt unser leibliches Kind sein muss. Wir dachten zuerst an eine Adoption, da uns das Pflegekindermodell zu diesem Zeitpunkt gar kein Begriff war. Als wir dann mit Freunden und Familie über unsere Adoptionsidee gesprochen haben, kam der Vorschlag, warum wir nicht die Möglichkeit eines Pflegekindes in Betracht ziehen.
Hat sich der Alltag mit einem Pflegekind so entwickelt, wie ihr es euch vorgestellt habt?
Stephanie & Markus: Ja, wir wurden vom Pflegekinderdienst gut auf besondere Aufgaben wie zum Beispiel Besuchskontakte mit den leiblichen Eltern, Gesprächen mit Behörden und so weiter vorbereitet. Der Großteil unseres Alltags unterscheidet sich unserer Meinung nach nicht von dem jeder anderen Familie. Es gibt chaotische und weniger chaotische Tage.
Was hat sich in eurem Leben durch die Aufnahme von eurem Pflegekind verändert? Was kommt auf Pflegeeltern alles zu?
Stephanie & Markus: Abgesehen von dem ganz normalen Chaos, das ein Kind in eine Familie bringt, merken wir vor allem einen Anstieg bei unseren Terminen. Wenn alles nach Plan läuft, finden in der Regel ein bis zwei Besuchskontakte im Monat statt. Rund um diese Termine müssen wir unseren Kleinen emotional mehr unterstützen und ihm Sicherheit geben, da diese Treffen stellenweise sehr herausfordernd sein können. Daneben gibt es noch Gespräche mit dem Pflegekinderdienst und sporadisch den einen oder anderen Termin mit der Kinder- und Jugendhilfe.
Euer Pflegekind lebt nun seit knapp zwei Jahren bei euch, gab es in dieser Zeit besondere Herausforderungen? Wenn ja, was hat euch geholfen, diese zu meistern?
Stephanie & Markus: Recht intime Fragen von entfernten Bekannten oder praktisch Fremden zu beantworten, warum man kein leibliches Kind wollte oder wer denn nun unfruchtbar sei oder auch sehr viel Neugier gegenüber den leiblichen Eltern. Beim ersten Punkt hat viel Humor geholfen und beim zweiten der Datenschutz.
Könnt ihr ein schönes Erlebnis, einen besonderen Moment mit eurem Pflegekind schildern?
Stephanie & Markus: Als unser Zwerg zu uns kam, war er körperlich noch sehr angespannt. Für uns war es ein enormer Vertrauensbeweis und eine riesige Freude, als wir merkten, dass er sich nach mehreren Wochen bei uns auf dem Arm vollkommen entspannen konnte. Das war für uns der Punkt, an dem wir merkten, dass er bei uns angekommen ist.
Welcher Fortschritt eures Pflegekindes macht euch besonders glücklich?
Stephanie & Markus: Sein Selbstvertrauen, das er neuerdings an den Tag legt. Das merken wir vor allem in der Spielgruppe, wo er mittlerweile mit anderen Kindern interagiert, lauthals mitsingt und sich traut, seine Wünsche zu formulieren. Als ganz stolze Eltern feiern und zelebrieren wir sowieso jeden auch noch so kleinen Fortschritt.
Welche Bedeutung hat die Herkunftsfamilie für euch und euer Pflegekind? Könnt ihr ein wenig erzählen, wie ein Besuchskontakt abläuft?
Stephanie & Markus: Wir hatten das Glück, dass wir schon beim ersten Kennenlernen eine gewisse gegenseitige Sympathie gespürt haben, was uns die Besuchskontakte natürlich erleichtert. Die Herkunftsfamilie wird durch unseren Kleinen immer dazu gehören und so sind natürlich auch Fotos seiner leiblichen Eltern bei ihm im Zimmer und auch die mitgebrachten Geschenke werden in unseren Alltag integriert. Zwischen den Besuchskontakten erzählen wir ihm von seinen Eltern, sodass er nie völlig den Kontakt verliert. Im Gegenzug wissen wir das Vertrauen, das seine Eltern uns entgegenbringen, sehr zu schätzen. Ein Besuchskontakt findet ca. alle drei Wochen (das wird aber im Einzelfall festgelegt) und zu Beginn immer in einem geschützten Umfeld beim Pflegekinderdienst statt. In unserem Fall dauern die Treffen etwa ein bis zwei Stunden, je nach Verfassung des Kindes und der Eltern. Für diese Zeit sind Spielsachen vorhanden oder der Kleine hat etwas dabei, mit dem er gerne spielen möchte. Man muss sich aber bewusst sein, dass aus verschiedenen Gründen nicht immer alle Termine von der Herkunftsfamilie eingehalten werden können. Wir haben gelernt damit umzugehen und es nicht als persönliche Beleidigung gegenüber unserem Pflegekind oder uns zu sehen.
Was müssen Menschen mitbringen, die sich überlegen, ein Pflegekind aufzunehmen?
Stephanie & Markus: Eine offene Art, da man sein Haus natürlich nicht nur für ein Kind öffnet, sondern eben auch für Behörden und den Pflegekinderdienst. Toleranz und Respekt gegenüber der Herkunftsfamilie, deren Lebensweg wahrscheinlich nicht dem eigenen ähnelt. Feinfühligkeit gegenüber der Vorgeschichte, die jedes Kind mitbringt, und den damit einhergehenden Besonderheiten und Bedürfnissen. Ruhe, Zeit und Geduld, damit das Kind in seinem Tempo ankommen und Vertrauen fassen kann.
Wie hat euer Umfeld auf die Aufnahme eures Pflegekindes reagiert?
Stephanie & Markus: Wir haben bereits im Vorfeld sehr viel mit unseren Familien über die mögliche Aufnahme eines Pflegekindes geredet. Uns beiden war es sehr wichtig, dass unsere Familien unseren Familienzuwachs genauso herzlich willkommen heißen wie wir. Ohne die Unterstützung unseres engsten Umfelds hätten wir uns nicht für diesen Schritt entschieden. Es war für uns wunderschön zu sehen, wie herzlich und liebevoll unser Kleiner von Anfang an willkommen geheißen wurde.
Was erlebt ihr in der Pflegschaft als unterstützend?
Stephanie & Markus: Vor allem sind es Familie und Freunde, die uns tatkräftig helfen und uns auch als Paar Freiräume ermöglichen. Wir haben auch immer einen Ansprechpartner beim Pflegekinderdienst, falls uns etwas beunruhigt oder Fragen auftauchen.
Was habt ihr in den letzten zwei Jahren durch die Aufnahme eures Pflegekindes gelernt?
Stephanie & Markus: Dass es emotional für uns keinen Unterschied macht, ob man ein Pflegekind oder ein leibliches Kind hat. Der Kleine war da und innerhalb von Stunden hatte er uns komplett um den kleinen Finger gewickelt. Wie wichtig es ist, dass Pflegeeltern ein Zuhause bieten, für Kinder, die dringend eine zusätzliche Familie benötigen und dass man natürlich über das Kind auch an dessen Herkunftsfamilie gebunden ist. Auch haben wir v.a. durch die Schulungen des Pflegekinderdiensts erkannt, wie viele soziale Schattenseiten es in Vorarlberg gibt, mit denen wir sonst nie in Berührung gekommen wären.
Was bereitet euch besondere Freude als Pflegeeltern?
Stephanie & Markus: Zu sehen, wie unser Kleiner Fortschritte macht und die Welt erobert und wir sowohl uns als auch seine leiblichen Eltern in ihm wieder erkennen, sei es in seinem Aussehen, seinem Verhalten oder seinen Interessen. Die viele Zuneigung, die er nicht nur von uns, sondern von unserer gesamten Familie bekommt.
Kontakt & Infos:
T 05522/82253, pflegekinderdienst@voki.at
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