Adventsgeschichte zum Vorlesen
Teil 1: Eine Kerze für den Bürgermeister
Einmal träumte der Bürgermeister einer kleinen Stadt einen schönen Traum. Das war etwas
Besonderes, denn er träumte nur selten. Und es war sogar ein sehr schöner Traum:
Ein kleiner Engel war zu ihm gekommen. Er hatte einen großen Korb dabei, darin lagen Kerzen.
Viele rote und weiße, gelbe, blaue, grüne, pink- und rosafarbene. Ein buntes Kerzenfarbenmeer.
„Dieses Bunt ist für dich“, sagte der kleine Engel zu dem Bürgermeister. „Du hast dir einmal gewünscht,
dass deine Stadt eine fröhliche Stadt ist und dass die Menschen, die hier leben, weniger an ihre Sorgen
und mehr an das, was sie fröhlich stimmt und was ihnen Freude bereitet, denken mögen.
Wer immer über das Graue im Leben nachgrübelt, hast du gesagt, wird das Bunte kaum sehen
und sich daher auch nicht darüber freuen können. Das waren deine Worte und damit hast du recht.“
Der Bürgermeister erinnerte sich. Schon lange wünschte er es sich, dass die Menschen nicht alles im
Leben so schwer nähmen und einander öfter ihre Freude zeigen könnten. Gerade in der Weihnachtszeit.
„Ein bisschen verliert das Graue mit dem Bunt seine Traurigkeit“, sagte der kleine Engel nun,
bevor er sich verabschiedete. „Und nun wünsche ich dir und den Menschen deiner Stadt alles Gute
und eine wunderbunte, fröhliche Weihnachtszeit.“
„Aber …“, rief ihm der Bürgermeister hinterher. „Aber wie kann ich die Herzen meiner Bürger mit
bunten Kerzen erreichen? Sie … sind doch nur ein Tropfen auf den heißen Stein.“
„Viele kleine Tropfen füllen ein Fass. Viele kleine Tropfen vermögen auch einen heißen Stein
zu kühlen“, hallte es von weither zurück. Dann war der kleine Engel verschwunden.
Das Herz des Bürgermeisters pochte heftig, als er erwachte. Was für ein seltsamer Traum!
Oder war es eine Botschaft gewesen? Sollte er es wagen und jedem Bürger zum Advent eine Kerze
schenken? Was für eine Vorstellung! Über ihn lachen würde man. Aber wäre dieses Lachen denn
nicht auch schon so etwas wie ein Tröpfchen auf den heißen Stein?
Der Bürgermeister öffnete die Augen und musste lachen.
Eine Kerze lag vor seinem Bett. Sie war pink.
Teil 2: Für jeden ein Licht
Weihnachtsgrüße vom Bürgermeister
Es war einmal ein Bürgermeister. Der wollte für seine kleine Stadt und deren Bewohnern immer das Allerbeste haben und er tat auch alles dafür. Er versuchte es wenigstens.
In einer besonders stürmischen Herbstnacht träumte er von einem Korb voller bunter Kerzen. Für jeden Bürger seiner Stadt eine Kerze in der Vorweihnachtszeit, so hatte es ihm ein kleiner Engel im Traum zugeflüstert, auf dass die Weihnachtszeit ein klitzekleines bisschen heller und fröhlicher sein möge.
Erst hatte der Bürgermeister über diesen Traum gelacht, dann aber hatte er doch lange über das Schenken und Beschenken und über die Weihnachtsfreude nachgedacht.
„Ich wünsche mir die Freude am Leben in einer bunten und hellen Stadt! Für alle!“, hatte er schließlich gesagt und – wie in seinem Traum – viele bunte Kerzen besorgt. Die ließ er mit einem bunten Brief in den Tagen vor dem Weihnachtsfest von den Kindern des Schulchors an alle Menschen von Haus zu Haus verteilen.
Die Menschen staunten und sie freuten sich auch. Weihnachtsgrüße vom Bürgermeister? Wo gab es das denn? Und dazu auch noch eine Kerze für jeden Bewohner der kleinen Stadt? Worte und Lichter! Was für eine wundervolle Idee! Selbst jene Bürger, die das Klagen oder Schimpfen liebten, waren nachdenklich geworden und schwiegen. Und das war gut so.
In den Tagen bis zum Fest stellten viele ihre Kerzen ans Fenster und entzündeten ihr Licht. Es war genau so, wie es sich der Bürgermeister in seinem Weihnachtsbrief gewünscht hatte.
Schön sah das aus. Schön und sehr feierlich. Das Städtchen ruhte still in einem festlichen Licht. Ein bisschen war die Freude in die Häuser eingekehrt und noch mehr in die Herzen der Menschen. Die Freude auf das Weihnachtsfest. Die Freude auf die Geburt des Jesuskindes und auf das Leben. Und auf das Glück, in einem so freundlichen Städtchen zu leben.
Der kleine Engel, der den Traum zu dem Bürgermeister gebracht hatte, lächelte.
Geschichte: © Elke Bräunling aus www.elkeskindergeschichten.de
Illustration: Barbara Drexel (Vorarlberger Kinderdorf), instagram: @drexelbarbara